„Die Gesellschaft hat ein Männerproblem“

Gesellschaft Nachrichten —

25, Oktober. 2020 Sonntag - 09:53

  • Im Rahmen der TJA-Kampagne „Wir verteidigen uns selbst“ finden in Kurdistan und der Türkei Männerseminare gegen Patriarchat und Sexismus statt. Die Teilnehmer stellen fest: „In der Gesellschaft gibt es ein Männerproblem.“

Seit Mitte September läuft die von der Bewegung freier Frauen (Tevgera Jinên Azad, TJA) in Amed ins Leben gerufene Kampagne „Em xwe diparêzin“ – zu Deutsch: Wir verteidigen uns selbst. Die Kampagne, die einen Gesamtzeitraum von vier Monaten vorsieht und landesweit geführt wird, umfasst den Kampf gegen staatliche und männliche sexualisierte, physische, seelische, digitale und wirtschaftliche Gewalt. Die Frauenbewegung fordert die Bestrafung der Täter. Ein weiterer Aspekt ist die staatliche „Spezialkriegspolitik“, mit der Frauen über sexualisierte Gewalt und Folter zu Sklavinnen gemacht und junge Menschen über Drogen und gezielte Spitzelanwerbung aus ihrem gesellschaftlichen Umfeld gerissen werden.

Seit Initiierung der Offensive finden in vielen kurdischen und türkischen Städten breit gefächerte Aktionen, Selbstverteidigungskurse und andere Veranstaltungen statt. Neben Workshops ausschließlich für Frauen werden auch Seminare angeboten, die explizit den Einschluss aller Geschlechter vorsehen oder sich nur an Männer richten, und bei denen eine kritische Auseinandersetzung mit der männlichen, patriarchalen Perspektive und der Männerrolle in der Gesellschaft stattfindet. Die Journalistin Semra Turan hat jüngst für die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) in Istanbul ein Seminar der TJA besucht und mit männlichen Teilnehmern über die Auswirkungen der Kampagne gesprochen. Und vor allem über das Bewusstsein, das bei ihnen dadurch geschaffen wird.

„Wir haben die Werkzeuge der Unterdrückung geschaffen“

Einer der Teilnehmer des Workshops ist Süleyman Ataş. Seiner Auffassung nach wird die TJA-Kampagne in vielen Kreisen positiv aufgenommen, weil sie vor allem dazu führe, dass der Sexismus innerhalb der Gesellschaft stärker hinterfragt wird. Offen und selbstkritisch reflektiert er: „Ich habe bei mir selbst so einiges festgestellt. Wir haben als Männer den Frauen viel zu viel Aufgaben und Missionen aufgebürdet. Wir haben sie nach unseren eigenen Vorstellungen beurteilt. Wir haben den Frauen viele negative Dinge zugeschrieben. Um das zu sehen, muss man nicht weit ausholen. Wenn wir bei unseren eigenen Familien anfangen, kann ich mit Hausarbeiten wie Abwaschen, Abspülen bis hin zur Kindererziehung sofort ein paar Beispiele nennen, die ich selbst als ‚Frauenarbeit‘ abgetan habe. Ich dachte immer, das sei nur die Aufgabe der Frauen.“

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